Hierarchiekritische Selbstorganisation

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Was Hierarchiekritik ist und welche Merkmale hiearchiekritische Selbstorganisation haben kann, wurde schon versucht zu erklären. Hier geht es darum, ein Modell für eine solche vorzustellen und dazu wiederum Tools und Tipps zu beschreiben.

Hierarchiekritische Selbstorganisation in verschiedenen Phasen

Wir benutzen beim Sammeln von Tools und Techniken diese „Phasen“ eines Projekts:

HierachieSO.jpg

Dabei gilt: Klar, Projekte sind Prozesse und damit nicht linear. All diese Phasen passieren meistens chaotisch die ganze Zeit über. Wir benutzen diese Einteilung vor allem, damit wir eine Reihenfolge zur Analyse haben.

Verbündete finden

Wir müssen mehr werden! Das ist klar. Um große Veränderungen zu bewirken, müssen wir Viele sein. Wir müssen aber nicht in jedem einzelnen Projekt/ jeder Gruppe möglichst viele sein: auch als kleine Gruppe können wir schon Veränderung bewirken Idealerweise arbeiten viele kleine und größere Gruppen zusammen in der großen Bewegung Das „wie viele sind wir“ definiert auch, mit wievielen Leuten wir einen gemeinsamen Plan entwickeln sollten: Mit der ganzen Bewegung einen einzigen Plan zu formulieren, ist Quatsch. Die Bewegung ist – wie das Wort beschreibt – Bewegung. Und das ist auch gut so. Wenn wir mit der ganzen Bewegung zusammen Veränderung planen wollten, müssten wir priorisieren (welches Ziel ist grad am Wichtigsten) Dabei können viele kleine Gruppen mit ihren jeweils eigenen Zielen + Arten, diese zu erreichen, zusammen wirken D.h.: einen Plan, eine Strategie innerhalb der eigenen Gruppe (z.B. Ortsgruppe, Arbeitsgruppe) entwickeln, der zur Bewegung beiträgt.

Verbündete finden - Die Herrschaftsbrille aufgesetzt

  • Erst Verbündete finden – dann einen gemeinsamen Plan entwickeln! Ein Plan für Alle kann nur von Allen sein. Deshalb ist es Quatsch, sich allein einen Plan auszudenken und dann Mitstreitende zu finden. Eine gemeinsame Utopie kann nur durch gemeinsames Entwickeln erreicht werden. Negativbeispiele für so etwas gibt es genug, muss nur kurz in die NGO oder Businesswelt geschaut werden (die NGO Welt macht der Businesswelt ja Vieles nach): Da wird sich in einem kleinen Koordinationskreis ein Projekt ausgedacht, dann Geld dafür angeworben, und dann Menschen eingestellt, die das Ganze nur noch umsetzen. Das heißt: erst die Gruppe finden, dann einen konkreten Plan entwickeln.
  • Wenn das Projekt/ die Gruppe schon gestartet ist, und sich also schon einen „Plan“ gemacht hat, was sie so vorhaben und was ihre Ziele sind, und dann weitere Verbündete dazukommen: immer wieder zum gemeinsamen Planen zurückgehen und Momente und Wege finden, die anderen miteinzubinden + den Plan mit den Ideen und den Input der Neuen erweitern. Zum Beispiel durch: Regelmäßige Strukturtreffen und Jahrestreffen, in dem wieder zum Planen + Strategisieren zurückgekehrt wird; Willkommenspakete für jede*n Neue*n, in dem alle wichtigen Dokumente inklusive Strategie übersichtlich vorhanden sind; Einführungstage, in dem das alles nochmal erklärt wird; BuddySystem, mit dem Neue an „alte Hasen“ gematcht werden und ihre Fragen beantwortet werden können
  • Für das Mitnehmen von Neuen sind wieder wichtig: Zugang, Transparenz, Skillsharing und Offenheit. Nur mit diesen Merkmalen können „Neue“ auf den Stand der „Älteren“ kommen – in dem sie sich z.B. (Zugang) den Plan und die Ziele der Gruppe verschriftlicht angucken, indem transparent gemacht wird, von wem die Ideen kamen + warum der Plan so ist wie er ist, in dem Skillsharing stattfindet – z.B. darüber, wie die Neuen den Plan ändern können, oder eine Einführung in die Methode, die dafür benutzt wurde – und Offenheit, sodass Neue auch in die AG's, die über solchen Fragen grübeln (z.B. Wo wollen wir hin?), dazukommen können.
  • Außerdem: hierarchiekritisch analysieren, wer die Verbündeten sind, die zu uns stoßen. Wer ist dabei? Welche Gruppe menschen ist strukturell abwesend? Wie werben wir, wen erreicht das, wen schließt es aus? Wie werden wir inklusiver? z.B. durch ein gesondertes Treffen, in dem solche Fragen reflektiert und Ideen entwickelt werden.

Visionen und Utopien

  • Bevor wir uns direkt ins Planen (oder noch besser: gleich Machen) stürzen, ist es sinnvoll, sich Zeit zu nehmen, um gemeinsame Utopien zu entwickeln. Warum?
  • Utopien geben uns Kraft + Motivation, in etwas Energie zu stecken
  • Geben uns ein größeres Ziel + eine Richtung
  • Helfen uns, Ideen außerhalb der Denkschranken unseres jetzigen Denkens zu denken
  • Es ist menschlich, zu Planen + zu Visionieren. Leider ist es, so wie wir es betreiben, oft angstbezogen (Ich schaue voll Angst in die Zukunft und lege eine Riesterrentenkonto an)
  • Oft arbeiten wir problemorientiert – statt in die Zukunft zu visionieren, arbeiten wir uns an den Problemen des Bestehenden ab. Das ist auch natürlich, weil das Jetzt ja immer unsere Ausgangsposition ist. Hält uns aber im Denken klein und führt dazu, das wir symptomorientiert Lösungen suchen.
  • Beispiel: Eine NGO probiert ein Problem (Hunger) zu minimieren. Sie sammelt Geld und kauft davon Brot an Orten, wo menschen weniger Geld haben. Damit hat sie temporär für weniger Hunger gesorgt, aber löst nicht das richtige Problem (Warum gibt es überhaupt Hunger und Knappheit?) und denkt nicht außerhalb des Istzustandes (Wie könnte eine Welt aussehen, in der Nahrungsmittel gerecht verteilt/zugänglich sind? Wie kommen wir dahin?)
  • Es muss Beides geben: Eine Analyse der Probleme, aber auch das gemeinsame
  • Schaffen von Utopien und Visionen.

Utopien entwickeln und die Herrschaftsbrille

  • Utopien entwickeln an sich ist schon hierarchiekritisch, denn:
  • Utopien sind radikal: sie helfen uns, extrem andere Lösungsvorschläge für bestehende Probleme zu entwickeln
  • Utopien sind prozessorientiert: Wir sind nie am Ziel angekommen, sondern müssen jetzt anfangen, anders zu leben. Deswegen müssen wir auch jetzt anfangen, Utopien zu entwickeln und zu leben.
  • Utopiefokussiert planen: Erst Utopien entwickeln, und dann einen gemeinsamen Plan dahin formulieren.
  • Inklusivität! Utopien sollten wir gemeinsam mit Allen entwickeln, die in der Gruppe/im Projekt teilnehmen, nur so kann sie auch von Allen sein
  • Zum Beispiel durch folgende Methoden + Techniken: Dragon Dreaming, Interview mit der Zukunft, Projektrad, Traumkreis, Utopien malen, sonstige eigene Methoden zum Utopien-Brainstormen.

Planen und Strategie

  • Planen + Strategisieren ist wichtig, denn: Es hilft uns, größer als „Von Aktion zu Aktion“ zu denken
  • Hilft, die eigene Organisierung auf verschiedenen Ebenen zu analysieren (Hauptziele+ Teilziele)
  • Hilft uns dabei, erfolgreich zu sein, in dem was wir tun, da verschiedenste Faktoren mitgedacht wurden. ZB: Was sind unsere Ressourcen? Was ist unsere Zielgruppe? Was sind unsere Hindernisse?
  • In dem Rahmen der Planung werden konkrete Aktivitäten eingebettet

Es gibt viele unterschiedliche Methoden, aber bei Allen ist vor Allem wichtig, einige Faktoren zu beachten:

Utopie (Wo wollen wir Alle hin)
Ziel (Wo wollen wir als Gruppe hin)
Voraussetzungen dafür (Was braucht es von uns)
Plan (Wie kommen wir dahin)
Aktivitäten (basierend auf Utopie → Ziel → Plan)
Ressourcen (Was sind unsere Mittel)
Zielgruppe (Wen wollen wir erreichen)
Ansprache (Wie erreichen wir sie)
Problemanalyse (Was ist das zugrundeliegende Problem)

Planen mit der die Herrschaftsbrille

  • Im Alltag, zb in der Schule oder auf der Arbeit gehen wir von einer Problemanalyse aus (Was ist die jetzige negativen Situation und was sind die Gründe dazu?) Bei herrschaftskritischen Projekten fängt es aber mit einer Utopieanalyse an: ::Was ist unsere Utopie und wie kommen wir dahin? Es können auch beide Prozesse begleitend stattfinden.
  • Es gibt unterschiedlichste Tools & Techniken zum Planen und Strategisieren, die hier nicht ausgeführt, sondern nur verlinkt werden können (siehe am Ende des Handouts zum ursprünglichen Vortrags [1] oder hier[2] oder hier [3].

In der Tabelle seht ihr einige aufgeteilt nach Utopie- und Problemansatz.

Utopiefokus Problemfokus
Interview mit der Zukunft SWOT-Analyse
Theory of Change Umfeldanalyse
Dragon Dreaming Kraftfeldanalyse
Projektrad Pillars of Power
Utopien malen Projektdesign
Traumkreis Logical Framework Approach
  • Keine Technik/ Methode ist per se gut, wir müssen sie richtig anwenden, d.h.:
    • Mit Allen planen! Sobald nur eine kleine Gruppe Strategien und Plan entwickelt, ist das Projekt/ die Gruppe nicht mehr von Allen - es entstehen starke Hierarchien. Das ist das größte Problem in Projekten und Gruppen: Die Hierarchie zwischen den „Strateg*innen“ und den „Macher*innen“ (das Fußvolk)! Daher: mit Allen planen. Deshalb lohnen sich auch nur Methoden und Tools, bei denen Alle mitmachen können. Und es sollten Momente geschaffen werden, in denen mit Allen gemeinsam geplant wird.
    • Je komplizierter unsere Methode, Strategien zu entwickeln (bis hin zu Projektsoftwares), desto exklusiver, d.h. ausschließender, wird es. Also inklusiv denken: Wen wollen wir in unserer Gruppe alles mitnehmen (siehe: Verbündete fnden) – und darauf basierend eine Methode zum Planen fnden
    • Das Planen muss flexibel bleiben! Bewegung ist ein Prozess, und daher bringt es nichts, einen Plan vorher festzulegen und an ihm festzuhalten, auch wenn sich Umgebungsfaktoren verändern. Das heißt: immer wieder zum Plan zurückkehren und ihn verändern – mit Allen, die es interessiert
    • Prozessorientiert bleiben: Auch wenn es ein formuliertes Ziel gibt, nicht vergessen, dass der Weg dahin genauso wichtig ist. Dazu gehört auch, Scheitern als Teil des Planes zu verstehen. Scheitern passiert immer, und es ist ein Moment, in dem wir sehen, dass unser Plan gehakt hat + wir ihn deswegen verändern können
    • Ergebnisoffen: Das, was bei allen gemeinsam rauskommt, ist der richtige Plan (auch wenn die ursprüngliche Idee, die Person A beim Gründen einer Gruppe hatte, eine andere war)
    • Pläne und Strategien müssen Mitmachenden zugänglich bewahrt und transparent gemacht werden
    • Skillsharing um Strategien zu erklären und Methoden zu verstehen ist wichtig.

Machen

Konkret wurden zu einer hierarchiekritischen Praxis im Seminar 4 Themen angesprochen. Hierbei wurden die verschiedenen Gesichtspunkte unserer Praxis mithilfe der Herrschaftsbrille analysiert. Fürs erste gibt es hierzu keinen extra Wikitext, da es sehr ins Detail geht - Ihr findet eine schöne Dokumentation im Handout zum Vortrag[4] und weiterführende Links und Dokumente innerhalb des Handouts und im Seminarordner [5].


  • Treffen: Wo entstehen Hierarchien schon durch den Charakter unserer Treffen? Was können wir tun?
  • Digitale Zusammenarbeit: Wegen Corona sehr aktuell! Hier stehen oft Sicherheitsbedürfnis und Professionalisierung stehen gegen die Zugänglichkeit der verwendeten Tools. Im Zweifelsfall gilt es je nach Situation Kompromisse zu schließen.
  • Reden: Hier geht es vA das Miteinander in der Gruppe. Vielleicht haben wir gar nicht gelernt, gut miteinander umzugehen, und andere Menschen zu inklusionieren? Wie gehen wir außerdem mit Konflikten innerhalb der Gruppe um?
  • Entscheidungsfindung: Hier geht es vA um die Analyse von Konsensmethoden und deren Umsetzung.


Weitere Materialien zum Thema Hierarchiekritik[6] von den Referent:innen von skillsforutopia.org.

Quellen