Lokaler Erdgasausstieg
Wie geht das?
Ihr könnt in eurer Stadt das Erdgasnetz stilllegen - und das ganz legal. Eigentlich müsst ihr euren Stadtrat nur dazu bringen, dass die Stadt prüft, ob sich das Erdgasnetz in Zukunft noch rentiert (fun fact: tut es sehr wahrscheinlich nicht). Und weil Städte unnötige Kosten vermeiden wollen, seid ihr da schon fast am Ziel.
Positive Beispiele
Einige Städte in Deutschland haben bereits beschlossen, ihr Gasnetz stillzulegen.
Was kann meine OG tun?
Kommunalpolitik ist vielleicht auch mal zäh und ihr habt als OG vielleicht auch nicht die Kappas für die Recherche. Aber ihr könnt das an ein lokales Bündnis abgeben und müsst dann nur noch 1x im Monat nachfragen, was gerade der aktuelle Stand ist. So geht's:
- Sprecht mit der*dem Klimaschutzmanager*in eurer Stadt zum aktuellen Stand bei euch vor Ort (fragt da auch nach der kommunalen Wärmeplanung) und was man da tun könnte, wer im Stadtrat dafür zu gewinnen ist und wer nicht.
- Ladet andere Umwelt/Klimagruppen vor Ort zu einem interen Treffen ein und erzählt, was ihr bisher rausgefunden habt und was noch zu tun ist.
- Recht wahrscheinlich haben sie Lust euch zu unterstützen und dann könnt ihr die Recherche oder die kommunalpolitische Lobbyarbeit abgeben. Jedes Bündnis braucht natürlich Menschen, die immer wieder nachfragen, wie es jetzt weitergeht und das Bündnis am Laufen halten. Da könnt ihr dann helfen.
How to
Bündnis gründen
- hier findet ihr eine Mailvorlage, um andere Gruppen für das Bündnis anzuschreiben
- hier findet ihr eine Powerpoint für das erste Treffen
Wer sollte in das Bündnis?
Hier ein paar Ideen (passt das gerne auf eure Situation vor Ort an):
- for Future Gruppen
- NABU, BUND, Local Zero, Greenpeace
- Menschen von der Klimaliste
- Mietervereine, evtl. auch Sozialvereine
Wie ist die Situation bei euch vor Ort?
Es macht Sinn, zunächst einige Fragen zu recherchieren, um einen Überblick über die Situation vor Ort zu bekommen. Viele Städte arbeiten im Moment ohnehin an ihrer Wärmeplanung (weil es dazu ein Bundesgesetz gibt). Daher kann es hilfreich sein zu fragen, ob da der Gasausstieg schon eingeplant ist.
Hier findet ihr eine Übersicht mit den wichtigsten Fragen, die euch einen fundierten Überblick verschaffen.
Teilt die Recherche gern innerhalb des Bündnisses auf.
1. Internetrecherche
Hilfreiche Websites sind:
- Gemeinde, des Stadtwerks bzw. anderen lokalen Energieversorgers, des Gasnetzbetreibers (Geschäftsbericht, Netzgebiet)
- lokale Presse
Naheliegende Begriffe für Suchmaschinen können sein (jeweils plus Ort):
- Klimaziel
- Klimaplan, Klimaschutzplan
- kommunale Wärmeplanung
- Wärmeversorgung, Fernwärme
2. Menschen fragen, die Bescheid wissen
Alle Infos, die ihr online nicht (oder nur mit sehr großen Aufwand) findet, könnt ihr bei anderen Menschen bekommen. Das können die lokalen Klimaschutzmanager:innen oder Vertreter:innen des Gemeinderats, aber auch erfahrene Mitglieder von lokalen Umweltschutzgruppen sein.
Lobbying & Kommunalpolitik
Es lohnt sich, mit Entscheidungsträger*innen aus dem Stadtrat, den Stadtwerken und der Verwaltung zu sprechen. Einerseits weil ihr so an Informationen kommt und andererseits weil ihr so Mehrheiten für den Antrag zur Prüfung der Stilllegung des Erdgasnetzes gewinnen könnt.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Mitglieder des Stadt- oder Gemeinderats oft nicht die Zeit haben, sich in alle Themen vertieft einzuarbeiten. Gut aufbereitete Sachinformationen, die unsere Forderungen unterstützen, stoßen daher häufig auf Interesse.
Ziel der Gespräche ist immer ein Austausch auf Augenhöhe: Wir haben die Gelegenheit, Fragen zu stellen und so die lokale Situation, Chancen und Hürden sowie die Positionen der Akteur:innen besser zu verstehen und im Anschluss unsere Strategie zu schärfen. Gleichzeitig können wir unsere Forderungen und relevante Sachverhalte übermitteln. Im besten Fall entwickelt sich ein konstruktives Verhältnis, in dessen Rahmen Projekte gemeinsam vorangebracht werden. Auch in der Politik gilt häufig: Ein persönliches Gespräch kann Berge versetzen.
Entsteht dagegen der Eindruck, dass es den Entscheidungsträger:innen nur um eine Scheinbeteiligung geht oder wir immer wieder vertröstet werden, ist der Wechsel zu direktdemokratischen Mitteln und öffentlichem Druck sinnvoll.[1]
Stellungnahmen
Laut Gesetz ist die Stadt verpflichtet, am Ende der Wärmeplanung 30 Tage Zeit für Stellungnahmen zu geben, bevor der Plan im Stadtrat zur Abstimmung gestellt wird. Einige Städte veröffentlichen jedoch auch bereits Ergebnisse von den Zwischenschritten der Wärmeplanung (Bestandsanalyse,Potenzialanalyse, Zielszenario, Umsetzungsstrategie), die man kommentieren kann. Auch zu anderen Planungs- oder Politikvorschlägen können wir Stellungnahmen einreichen – selbst wenn es kein formales Verfahren dafür gibt. Flankierend zur Stellungnahme können wir um ein persönliches Gespräch mit den zuständigen Personen bitten und unsere Position vertreten. Außerdem veranstalten viele Städte öffentliche Informationsveranstaltungen zur kommunalen Wärmeplanung, bei denen wir uns einbringen können.
Aktionen
Diskussions- & Informationsveranstaltungen
→ Eine Podiumsdiskussion oder einen Vortrag organisieren
So können wir den Entscheidungsträger:innen relevantes Wissen vermitteln und gegebenenfalls hartnäckige Gegenargumente entkräften, indem wir unabhängige Expert:innen einladen. So hat die Initiative „Heidelberg kohlefrei“ beispielsweise gemeinsam mit den Stadtwerken Heidelberg eine Online-Expert:innenkonferenz zum Thema „Best Practice Grüne Fernwärme“ durchgeführt.
Das Umweltinstitut führt in regelmäßigen Abständen Online-Seminare zum Thema „Stilllegung der Gasnetze in den Kommunen“ durch. Ladet gerne Vertreter:innen eurer Kommune und Stadtwerke dazu ein! Tragt dazu die Email-Adrese eurer OG in den Newsletter vom Umweltinistitut ein und ihr werdet informiert, sobald wieder ein Seminar stattfindet.
Forderungen aufstellen
Unsere Forderungen in ein Positionspapier zu gießen, hat erstmal intern die Wirkung, dass wir unsere Kernbotschaften diskutieren und schärfen. Das ist eine gute Grundlage, um die Forderun- gen nach außen zu vertreten. Ein gutes Positionspapier formuliert präzise Forderungen und hinterlegt sie mit Quellennachweisen wissenschaftlicher und institutioneller Veröffentlichungen. Mit einem überzeugenden Positionspapier können wir weitere Bündnispartner gewinnen und so unsere Schlagkraft vergrößern. Es ist ein kompaktes Aushängeschild, mit dem wir uns gegenüber Presse und Öffentlichkeit präsentieren können. Und schließlich ist es ein guter Anlass, um Gesprächstermine mit Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung und Stadtwerken zu vereinbaren. Ein umfangreiches Positionspapier zu sozialer Wärmewende und Gasausstieg hat das Wärmewende Bündnis Frankfurt veröffentlicht.
Petition
Wenn wir unterstreichen wollen, dass der Rückhalt in der Bevölkerung groß ist, können wir eine Petition starten. Dabei sammeln wir ohne Formalitäten Unterschriften für unsere Forderung(en) – entweder klassisch mit Unterschriftenlisten auf Papier oder online auf Plattformen wie weAct.de oder change.org. Ein erwünschter Nebeneffekt dieser Aktionsform ist, dass viele Menschen von unserem Thema erfahren – weil wir sie an Infoständen oder auf der Straße zum Unterschreiben auffordern oder Freund:innen und Familie die Online-Petition mit ihnen teilen
Kreative Aktionen
Mit kreativen Aktionen in der Öffentlichkeit, die bunte, interessante Bilder erzeugen, können wir viel Aufmerksamkeit und Sympathie gewinnen. Ein eindrückliches Bild bleibt lange in Erinnerung und ist die Eintrittskarte für Berichterstattung in der Presse sowie in den sozialen Medien. Das Bündnis „180° Wärmewende Leipzig“ hat im April einen zehn Meter langen aufblasbaren Baumstamm mit der Aufschrift „Wächst 30 Jahre, heizt dein Wohnhaus 5 Tage“ durch die Innenstadt getragen. So haben die Aktiven darauf aufmerksam gemacht, dass die Verbrennung von Holz als zentraler Baustein im Wärmeplan der Stadt nicht nachhaltig ist.
Infostand
→ Siehe dazu: Infostand
Argumente
Erdgas allgemein
→ Siehe dazu die allgemeinen Argumente gegen Erdgas
Für Verbraucher*innen
Erdgas ist eine fossile Kostenfalle
Die Kosten für das Heizen mit Erdgas werden sich in den nächsten Jahren verdreifachen. Für Menschen mit wenig Geld kann das die Energiearmut bedeuten. Die Politik muss klimafreundliches Heizen für alle bezahlbar machen – und das geht nicht mit Erdgas.
- Ab 2027 werden die Preise für Erdgas, Heizöl (und Benzin und Diesel) deutlich steigen, weil der Emissionshandel der EU für Gebäude und Verkehr kommt (ETS II). Dann müssen Kraftstofflieferanten CO2-Zertifikate ersteigern, um ihre Emissionen zu decken. Das kostet Geld, deshalb werden die Preise steigen.
- Immer mehr Kund*innen verlassen das Gasnetz. Deshalb müssen immer weniger Verbraucher*innen die Kosten für die Infrastruktur tragen. Erste Stadtwerke haben deshalb angekündigt, ihre Netze stillzulegen (z.B. Augsburg und Mannheim)
Wie werden wir in Zukunft heizen?
Hauptsächlich mit Nah- und Fernwärme sowie Wärmepumpen (dazu Studie von Agora Energiewende). Im Jahr 2045 werden Wärmepumpen voraussichtlich zwei Drittel der Wohnhäuser beheizen, während Wärmenetze etwa ein Drittel versorgen. Andere Heizungssysteme wie Gas, Holz oder Wasserstoff werden eine vernachlässigbare Rolle spielen (siehe dazu den Report der Ariadne-Projekts).
Die Nah- und Fernwärme wird durch Großwärmepumpen, die in Skandinavien schon Standard sind, bereitgestellt. Sie können zum Beispiel mit Flusswärme, Erdwärme, Luftwärme, Abwärme aus industriellen Quellen sowie Server- und Rechenzentrumsabwärme genutzt werden. Aber auch Geothermie, Industrieabwärme und Solarthermie werden ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Wärmeerzeugung leisten – auch unabhängig von großen Wärmepumpen.
In Gebieten ohne Wärmenetz sollen zukünftig vor allem hauseigene Wärmepumpen eingesetzt werden. Diese sind auch im Altbau geeignet. Über die gesamte Lebensdauer ist eine Wärmepumpe deutlich billiger als eine Gasheizung. In Skandi- navien werden Wärmepumpen bereits sehr erfolgreich eingesetzt: In Norwegen decken sie 60 Prozent des Wärmebedarfs, in Schweden und Finnland etwa 40 Prozent – trotz kalter Winter.
Holzpelletheizungen sollten nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Optionen aufgrund baulicher Einschränkungen nicht möglich sind. Denn die Pellets stammen häufig nicht aus Restholz, sondern aus Wäldern, die für den Klimaschutz und die lokale Biodiversität wertvoll sind. Zudem braucht das freiwerdende CO2 Jahrzehnte, um wieder in Bäumen gebunden zu werden.
Damit weniger Energie für das Heizen benötigt wird, müssen Gebäude besser gedämmt und saniert werden. Auch das ist ein wichtiger Baustein für die klimafreundliche Wärmeversorgung.
Wasserstoff und Biomethan
Wasserstoffheizungen werden nicht kommen.
- viel zu teuer: das Heizen mit Wasserstoff ist ungefähr doppelt so teuer, wie eine Wärmepumpe zu nutzen
- nicht vorhanden: Wasserstoff steht bisher auch bei Weitem nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung und wird viel dringender in der Industrie benötigt
Ähnliches gilt für das Thema Biogas: Heutzutage wird nur ca. ein Prozent des deutschen Gasbedarfs durch aufwändig zu Biomethan aufbereitetes Biogas gedeckt. Diese Aufbereitung verbraucht allerdings viel Energie und verursacht zusätzliche Emissionen, wodurch die Produktion von Biomethan alles andere als nachhaltig ist. [2]
Für Kommunen
Redet dafür nicht nur mit den zuständigen Stadträt*innen, sondern auch mit der*dem Geschäftsführer*in der Stadtwerke. Wenn die Geschäftsführung mitzieht, ist schon viel gewonnen.
- Ihr macht ohnehin kommunale Wärmeplanung, dann macht das gleich ordentlich!
Weil die Stadt oder Gemeinde sich sowieso im Prozess der kommunalen Wärmeplanung befindet, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um auch einen geordneten und sozialverträglichen Rückzug aus der Gasversorgung zu organisieren. So kann die Kommune gemeinsam mit dem Gasnetzbetreiber mit genug Vorlauf die besten Lösungen erarbeiten und ihre Bürger:innen frühzeitig informieren – so dass diese ihre Heizungsumstellung entsprechend langfristig und so kostengünstig wie möglich planen können. Priorität sollte es sein, dass niemand sich mehr eine neue Gasheizung einbaut, weil das bei der baldigen Stilllegung der Netze zu Problemen führen wird.
Trotzdem entscheiden sich aktuell noch immer mehr als die Hälfte der Menschen beim Heizungstausch für eine Gasheizung. Diese haben allerdings eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Parallel wechseln jedoch schon viele Menschen zu Wärmepumpen oder werden an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Der Betrieb der Gasnetze wird daher schon deutlich früher als 2045 unwirtschaftlich.
- Moderne Stadtwerke
-machen Gewinn mit Erneuerbaren, Pellets (und Wasserstoff) -können in Wärmenetz investieren, um Häuser in der Innenstadt zu beheizen (weitere Einnahmequelle)
Gute Beispiele: -Stadtwerke Wunsiedel (siehe Website) -Erfolgsprojekte bei Stadt.Land.Klima! (Link) -Erfolgsprojekte bei Local.Zero (Link)
- Günstige Energie anbieten (Stadt als attraktiver Wohnort)
- Klimaziele einhalten
Nützliche Links
- Schaut euch dazu gerne die Website vom Umweltinsitut an, die haben das nochmal im Detail aufbereitet: https://umweltinstitut.org/energie-und-klima/gasausstieg/gasausstieg-jetzt/
- Hier findet ihr Infos für Kommunalpolitiker*innen und weitere Studien: https://umweltinstitut.org/energie-und-klima/gasausstieg/gasverteilnetze-in-der-kommunalen-waermewende/
- Warum das Heizen mit fossilen teurer wird und wie wir in Zukunft heizen werden: https://de.scientists4future.org/klimakrise-und-energiewende-wandel-fuer-eine-stabile-zukunft/