Hierarchiekritik: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | Dabei geht man davon aus, dass Menschen in freien Vereinbarungen d.h. ohne Zwang gut miteinander leben und zusammenarbeiten können. Ziel dieser Theorie ist, dass wir alle gleichberechtigt und frei miteinander zusammenleben. | |
− | Eine zentrale | + | Eine zentrale Annahme dabei ist die Annahme, das Menschen verschieden sind und sein dürfen sollen, und sich deshalb am besten in kleinen Einheiten |
− | miteinander organisieren (freie Menschen in freien Vereinbarungen). | + | miteinander organisieren können (freie Menschen in freien Vereinbarungen). |
− | Das heißt, ihr müsst keinen Anarchismus oder (schon gar nicht) eine Anarchie anstreben, um von den in diesem Kontext verwendeten Wissen und | + | Das heißt, ihr müsst keinen Anarchismus oder (schon gar nicht) eine Anarchie anstreben, um von den in diesem Kontext verwendeten Wissen und Methoden Gebrauch machen zu wollen - Es reicht, wenn es euch interessiert, wie ihr euch freier und gleichberechtigter organisieren könnt :). |
Version vom 24. November 2020, 16:00 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Grundlegendes
Der Begriff „Hierarchiekritik“, wechselweise mit Herrschaftskritik benutzt, und ist ein zentraler Begriff aus der Anarchismustheorie (An-archia, aus dem griechischen, ohne-Herrschaft). Herrschaftskritik bedeutet: die Kritik daran, dass es Herrschaft des einen über den anderen gibt. Dabei geht es oft vor allem um die Herrschaft des Staates oder Unternehmen über Menschen, oder die Herrschaft durch/über Eigentum; aber auch zwischenmenschlich gibt es viele Hierarchien, die ein Zusammenarbeiten auf gleicher Ebene, und somit Emanzipation innerhalb unserer Strukturen schwierig machen.
Dabei geht man davon aus, dass Menschen in freien Vereinbarungen d.h. ohne Zwang gut miteinander leben und zusammenarbeiten können. Ziel dieser Theorie ist, dass wir alle gleichberechtigt und frei miteinander zusammenleben. Eine zentrale Annahme dabei ist die Annahme, das Menschen verschieden sind und sein dürfen sollen, und sich deshalb am besten in kleinen Einheiten miteinander organisieren können (freie Menschen in freien Vereinbarungen).
Das heißt, ihr müsst keinen Anarchismus oder (schon gar nicht) eine Anarchie anstreben, um von den in diesem Kontext verwendeten Wissen und Methoden Gebrauch machen zu wollen - Es reicht, wenn es euch interessiert, wie ihr euch freier und gleichberechtigter organisieren könnt :).
Begriffe
- Macht (power): kann "Macht zu-" oder "Macht über-" sein. In dem Fall "Macht über-" wird es zu Herrschaft: dann ist Macht die Möglichkeit zur Herrschaft von A über B.
- Herrschaft ist die dauerhaft und systematisch gefestigte Macht. (Ich herrsche über jemanden). Auf Gesellschaftsebene: Die dauerhafte und systematische hierarchische Ordnung der Gesellschaft.
- Hierarchie ist die strukturelle Anordnung von Macht in Positionen (Mein Chef ist in der Hierarchie über Mir)
- Dominanz beschreibt den Zustand, das Krafteverhältnis; wenn A mehr Macht hat als B, wenn A dominant ist, ist es meistens in der Hierarchie höher.
- Privilegien: Durch Macht/Herrschaft entstehen Privilegien. Das bedeutet, dass ich aufgrund meiner Macht mehr Ressourcen hab (ob materiell oder anderweitig).
- Codes: Ein weiterer Begriff der in der Hierarchiekritik wichtig ist, ist Hierarchie in der Manifestation von Codes: interne Sprache, die sich auf unterschiedliche Arten manifestiert und oft Hierarchien kreiert. z.B.
- Begriffe (z.B. Lautie, Tops, Plenum, politische Begriffe (FLINT, LGBTIQ, Feminismus, queer etc.)
- Sprache (gendern, wie reden/ akademisch versus street slang)
- Symbole
- Zeichen (z.B. Handzeichen)
- Äußerliches (von Personen, von Räumen, von Orten)
- Verhalten (in unterschiedlichen Situationen, z.B. im Meeting, auf Demos)
- Das heißt: Codes kreieren Hierachien: Wer mehr Codes versteht, ist meistens mächtiger und kann besser handeln. Darum probieren wir in bestimmten Räumen auch Codes zu minimieren.
Was ist also eine Hierarchiekritische Selbstorganisation
- Es gibt viele Formen von Hierarchie auf unterschiedlichen Ebenen - eben auch in unseren Gruppen. Das alles heißt nicht, dass wir gar keine Vereinbarungen mehr machen, oder uns nicht organisieren, sondern dass wir dies freiwillig, also ohne Zwang, tun.
- Wir probieren hierarchiearm anstatt -frei zu sagen, denn Hierarchien können nicht komplett verschwinden. Wir können sie aber sichtbarmachen und minimieren. - Nach der Devise Handeln statt sein. „wir sind unhierarchisch" = wir bemühen uns unhierarchisch zu handeln, denn wir können nicht vorraussetzen, dass wir nicht hierarchisch sind. Vielmehr ist es wohl so, das wir es sind, weil wir so erzogen worden sind.
- Hierarchien müssen auch nicht immer schlimm sein, solang es einen bewussten Umgang mit ihnen gibt.
Merkmale
Das sollen ein Paar Kriterien und Merkmale sein, die hierarchiekritische Selbstorganisation ausmachen:
- Freie Vereinbarungen Freiwilligkeit als Grundprinzip - nicht Zwang! (Selbstorganisation)
- Radikal Das Problem/ die Situation an der Wurzel anpacken: Hierarchiekritik ist per se radikal, weil sie das Bestehende (eine Welt voller Hierarchien und Herrschaft) radikal ablehnt und Alternativen sucht.
- Transparenz (= Durchsichtigkeit) von Strukturen und Prozessen, von Informationen für Mitmachende, von Codes, etc.: Mit mehr Transparenz schaffen wir Informationshierarchien ab. Auch: Hierarchien transparent machen durch Spiele, Treffen, Ansprechen.
- Zugänglichkeit: der Zugang zu Wissen und Ressourcen, z.B. direkter Zugang zum Mailkonto, Zugang zu Wissen und Fähigkeiten, Zugang zu anderen Gruppen, AG’s, Mitstreitenden. Es soll einfach sein effektiv mitzumachen, dazu ist es sinnvoll auch Codes zu reduzieren - sie sollen kein Statussymbol sein. Zugänglichkeit kommt auch durch das Abschaffen von Wissens- und Informationshierarchien .
- Skillsharing Wissen/Fähigkeiten teilen, zum Beispiel in regelmäßigen Routinen nach einem Treffen oder in Workshops. Bedeutet auch: alle Daten teilen, alles allen weiterverteilen, copyleft, und alle können alles lernen. Auch hier geht es wieder um die Minimierung von Wissens- und Informationshierarchien.
- Rotation (=zufälliger Wechsel) Rotation hilft dem Skillsharing-Aspekt. Strukturen rotieren damit alle alles können und sich kein Wissen konzentriert, offenen Räume ähnlich, dass jederzeit jemand in die Gruppe/AG dazukommen kann. Zugangshierarchien und Informationshierarchien werden minimiert. Erhöht also die Zugänglichkeit.
- Prozessorientierung: nicht den alleinigen Fokus (wie in kapitalistischen Projekten) darauf, was bei etwas herausgekommen ist, sondern wie es war: "Der Weg ist das Ziel". Wir kommen nur zur Utopie, wenn wir etwas jetzt schon richtig machen.
- Inklusiv: Einerseits heißt das, das Projekt muss von Allen sein, die mitmachen: Es kann nicht eins den Plan machen, und andere folgen. Weiterhin heißt das auch, dass sie möglichst viele verschiedene Menschen mitnehmen – denn nur mit Allen kann eine Welt für Alle gestaltet werden.
- Utopiefokus Fokus darauf, wo wir hin wollen: Statt immer nur Problemanalysen zu betreiben, kann beides geben aber: Herrschaftskritik ist an sich eine Utopie, wir müssen uns immer wieder bewusst machen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, um uns dahin zu bewegen (das gilt für jedes Projekt). Herrschaftskritisch Projekte machen ist mehr als eine Arbeit, es ist eine Art und Weise, die Welt zu betrachten.
- Dezentral/autonom: Nicht zentral, unabhängig. In kleinen Gruppen eng arbeiten und sich dezentral vernetzen, ohne Hierarchie nach oben. Das sorgt für Vielfalt. Passt auch zusammen mit dem Grundsatz von den „freien Vereinbarungen“ und der Philosophie der Verschiedenheit: Wir müssen nicht als Masse über alles abstimmen, vieles kann selbst oderin kleineren Einheiten entschieden werden.
- Refektion und Zeit: Krritisches Nachdenken und Nachfühlen über eigene Prozesse und die Gruppe. Über Geschehenes nachdenken und kritisch hinterfragen, immer wieder Zeit nehmen zu sehen, wie der Prozess war. Nur mit Zeit werden Hierarchien sichtbar und nur durch Reflektion können wir lernen sie zu verändern. Bewusste Momente für Reflektieren über Hierarchien immer wieder wichtig.
- Ergebnisoffen Das Ziel kann nur von allen Beteiligten zusammen formuliert werden. Außerdem arbeiten wir hierarchiekritisch miteinander, das ist die Priorität. Wenn dabei etwas Anderes rauskommt, als wir am Anfang dachten, dann, weil Alle zusammen gearbeitet haben.
- Achtsamkeit für einander und für mögliche Hierarchien. Eine wichtige Grundhaltung, denn nur so können die oft versteckten Hierarchien gefühlt & sichtbargemacht werden.
- Konfliktbereitschaft Positive Sicht auf Konflikte, weil sich nur durch ehrliche Kommunikation eine Gruppe sich entwickeln kann. Harmoniedruck gibt es oft. Streit heißt erstmal, das Menschen etwas wollen - Und das ist ein Anfang.
Zu konkreten Tools und Methoden hierarchiekritischer Projektarbeit geht es in einem weiteren Artikel.
Entstehung
Die Wikiseiten zum Thema Hierarchiekritik und hierarchiekritischer Selbstorganisation[1] sind aus der Video-Seminarreihe zu diesen Themen in Kooperation mit Skills for Utopia der Workshop AG im Rahmen von Webinare for Future exzerpiert [2] .
Quellen
- ↑ Weitere Materialien
- ↑ Ursprüngliches Handout zum Workshop "Einführung in die Hierarchiekritik"